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Lateinamerika

Bericht aus Bolivien

Angela Ziemann (unsere Patin für Bolivien) hat uns einen Brief ihrer Großnichte Lea Zimmermann zukommen lassen, die derzeit in Bolivien ist:

Mitte des Jahres 2015, habe ich mein Abitur in Köln abgeschlossen und kurze Zeit später mich dazu entschlossen in dem Mädchenheim „Casa Maín“ in Bolivien, Santa Cruz freiwillig zu arbeiten.

1992 wurde „Casa Maín“ gegründet, ein Hilfswerk von der Ordensgemeinschaft der Don Bosco-Schwestern „María Auxiliadora“.

Das Mädchenheim wird von Ordensschwestern geleitet, welche zusammen mit den Heimkindern leben und Ihnen ein Zuhause schenken. Jährlich entscheiden sich etliche freiwillige Helfer weltweit dafür, dass Heim mit ihrer Arbeitskraft zu unterstützen. Rund 100 Mädchen leben dort, im Kindes- und Jugendalter.

Von Oktober 2015 an bis April 2016, war ich vor Ort und durfte meine ganz persönlichen Erfahrungen dort mit den Mädchen, den Ordensschwestern und anderen freiwilligen Helfern machen.

Nach meinem langen Flug von Deutschland nach Bolivien, wurde ich herzlich von der leitenden Ordensschwester „Sor Rosario“ am Flughafen in Santa Cruz in Empfang genommen. Im Mädchenheim endlich angekommen, wurde mir meine Unterkunft für das bevorstehende nächste halbe Jahr gezeigt. Zusammen mit den anderen freiwilligen Helfern, haben wir in einem separaten Haus gewohnt, welches sich jedoch auf demselben Grundstück befand, wo sich das gesamte Leben von „Casa Maín“ abgespielt hat. Jeder Helferin wurde ihre eigene kleine Wohnung zur Verfügung gestellt. Mit solchem Komfort habe ich nicht gerechnet und war schon zu Anfang von dem Heim positiv überrascht und begeistert.

Nach einer kurzen Verschnaufpause hat mich die Neugier getrieben das Grundstück zu erkunden. Insgesamt befinden sich auf dem gesamten Grundstück drei große Häuser. Im ersten Haus sind meist die jüngeren Mädchen untergebracht und auch die Neudazukommenden Mädchen werden dort anfangs aufgenommen. Im Haus befinden sich die Schlafräume, welche ca. für 10 Mädchen ausgerichtet sind. Neben den Schlafräumen und Baderäumen im Obergeschoss, befinden sich im Erdgeschoss Klassen- und Aufenthaltsräume, wo die Kinder die Möglichkeit bekommen ihre Schulaufgaben zu erledigen und sich in Ihrer Freizeit zu beschäftigen. Unter den Jüngeren befinden sich dennoch auch Mädchen, welche schon etwas älter sind um die Ordensschwestern im Alltag zu unterstützen. Somit lernen Sie auf direktem Weg Verantwortung zu übernehmen.

Lea Zimmermann mit Kindern in Bolivien
Lea Zimmermann mit Kindern in Bolivien

Im zweiten und größten Haus sind die älteren Mädchen untergebracht. Auch dort befinden sich im Obergeschoss mehrere Schlaf- und Baderäume. Im Erdgeschoss ebenfalls Klassen- und Aufenthaltsräume. Darüber hinaus findet man im zweiten Haus die Küche vor, in der zwei Köchinnen das Mittag- und Abendessen für das gesamte Heim zubereiten. Nebenbei wird auch wöchentlich frisches eigenes Gebäck gebacken. Unterstützt werden die Köchinnen selbstverständlich von den Mädchen. Das dritte Haus steht für die freiwilligen Helfer zur Verfügung, in dem auch ich untergebracht worden bin. Obendrein bietet das Heim einen traumhaft schön gepflegten Garten, mit Spielplätzen und zwei großen Basketballplätzen, wo die Mädchen definitiv genug Freiraum zum austoben und zum entspannen haben.

Einige Tage nach meiner Ankunft habe ich von einer Ordensschwester meinen Arbeitsplan erhalten. Der Tag fing für mich zwischen 4 Uhr und 5 Uhr morgens an. Den Kindern helfen rechtzeitig aufzustehen und sich für den bevorstehenden Tag zurecht zu machen. Bevor gemeinsam gefrühstückt wurde, hatte jedes Mädchen ihre eigene Aufgabe, welche erledigt werden musste. Beispielsweise wurden jeweils zwei Mädchen dazu eingeteilt einen Baderaum zu säubern, andere hatten die Aufgabe die Böden der Schlafräume zu fegen und zu wischen. Auch der Garten wurde schon in den frühen Morgenstunden von Blättern und vom Müll, welcher sich über den Vortag angesammelt hat, befreit. Gegen 7.30 Uhr stand das Frühstück auf den Tischen bereit, selbstverständlich von den Mädchen zubereitet. Doch bevor gefrühstückt werden konnte, wurde zusammen mit den Kindern gebetet. Dies handhabt das Heim vor jeder Mahlzeit so. Die Ordensschwestern legen großen Wert darauf, die Mädchen religiös zu erziehen und Ihnen den Bezug zu Gott nahe zu legen. Sogar eine eigene Kapelle befindet sich auf dem Grundstück.

Nach dem Frühstück, war die Zeit gekommen um sich auf den Weg in die Schule zu machen, ob zu Fuß oder mit dem Bus. Jedes Kind hatte einen Platz in einer nahegelegenen Schule. Auch zu meinen Aufgaben hat es gehört, die jüngsten Mädchen in den 5 Minuten entfernten KINDER zu bringen. Der KINDER ist mit einer Vor- und Grundschule in Deutschland zu vergleichen. Zwei Mädchen haben dort einen Platz und wurden von mir täglich hingebracht und wieder abgeholt. Während die Mädchen in der Schule waren, hatte ich Zeit um in der Küche auszuhelfen und mit zwei anderen Mädchen, die eine Abendschule besuchen und daher tagsüber im Heim waren zusammen am Computer zu arbeiten. Diese zwei Mädchen weisen eine leichte geistige Behinderung auf und benötigen daher zusätzliche Hilfe. In meiner Freizeit habe ich mir Rechtschreibung-, Grammatik- und Mathematikaufgaben überlegt, welche ich mit Ihnen am Computer gemeinsam erarbeitet habe.

Lea Zimmermann in Bolivien, hier eine der Ordensschwestern
Lea Zimmermann in Bolivien, hier eine der Ordensschwestern

Nachdem der Unterricht für die Kleinsten vorbei war und wir wieder zurück im Heim angekommen waren, haben wir gemeinsam die Schuluniform gewaschen. In Bolivien tragen die Schüler und Schülerinnen alle Uniform, dies ist dort Pflicht. Im Heim haben wir alles mit der Hand gewaschen. Von der Unterwäsche bis hin zum Bettlaken. Nicht nur die Mädchen auch alle anderen, die Ordensschwestern und die freiwilligen Helfer mit inbegriffen. Gegen 13 Uhr gab es Mittagessen. Auf Pünktlichkeit wird im Heim großen Wert gelegt. Wenn man beispielsweise zu spät zum Mittagessen erschien, kam es schon einmal vor das diejenige erst später zu Mittagessen durfte. Streng werden die Mädchen erzogen aber trotzdem mit großer Liebe und Fürsorge. Denn die Ordensschwestern sind stets darauf bedacht die Mädchen bestmöglich zu erziehen um Sie auf das spätere Leben vorzubereiten, wenn Sie alt und reif genug sind das Heim zu verlassen.

Nach dem Mittagessen gehörte es zu meiner Aufgabe, eine Gruppe von jüngeren Mädchen zur Schule zu begleiten. Genau wie der KINDER war auch diese Schule zu Fuß schnell zu erreichen. Der Schulunterricht beginnt und endet für die Mädchen nicht zur selben Zeit. Morgens, mittags und abends herrscht stetiger Wechsel bezüglich des Schulbeginns.

Um den Mädchen einen besseren Bildungszugang zu ermöglichen, wird zurzeit eine eigene Schule für das Heim erbaut. Dieses Projekt wird durch das Kinderhilfswerk „ICH – International- CHILDREN HELP“ tatkräftig unterstützt. Durch großzügige Spenden ist der Bau der Schule bereits in vollem Gange. Auf einem großen Yucafeld, welches dem Heim angehört wird die Schule erbaut. Bereits in der Zeit, in der ich vor Ort war und mir den Bau angeschaut habe waren die Bauarbeiter bereits schon weit gekommen. Die Grundrisse der Schule waren bereits erkennbar. Jedoch steht das Projekt noch vor großen Herausforderungen, denn das Projekt ist kostspielig und zeitaufwendig. Daher ist das Heim umso dankbarer Hilfe von außen zu bekommen.

Die Schule bietet den Mädchen Garantie auf einen sicheren Schulplatz und ermöglicht allen den Zugang zur Bildung. Denn es ist nicht selbstverständlich, dass die Mädchen in den öffentlichen Schulen aufgenommen werden.

Von 15 bis 17 Uhr hielt ich mich im zweiten Haus, in einer der Klassenräume auf. Insgesamt gibt es vier Klassenräume, in denen jeweils 16 Mädchen ihren Platz haben. Ich half den Mädchen bei ihren Hausaufgaben und habe während der Lernzeit dafür gesorgt, dass Ruhe herrscht. Ab 17 Uhr haben die Mädchen Freizeit. Jetzt ist es an der Zeit gekommen, um sich auf den Basketballplätzen und den Spielplätzen auszutoben oder sich in das Gras zu legen um eine Verschnaufpause einzulegen. Für jedes Kind ist etwas dabei.

Kurz vor dem Abendessen wird noch einmal zusammen gebetet. Gegen 19 Uhr wurde zu Abend gegessen. Danach gab es noch Zeit um gemeinsam was zu unternehmen. An einem Abend wurde Karaoke gesungen oder zu einem Tanzvideo mitgetanzt, an anderen Abenden wurden gemeinsam die Nachrichten geschaut oder sich auf den Spielplätzen noch einmal ausgetobt. Die abendlichen Aktivitäten überlegen sich gemeinsam die Ordensschwestern.

Ein langer Tag liegt hinter uns und es ist die Zeit gekommen um ins Bett zu gehen. So in etwa sah mein normaler Arbeitstag in „Casa Maín“ für mich aus. Rückblickend bin ich froh die Entscheidung für mich getroffen zu haben ein halbes Jahr lang in „Casa Maín“ verbracht zu haben. Die Mädchen haben mich von Tag Eins aufgenommen und mit der Zeit ins Herz geschlossen. Die intensive Bindung zu den Kindern, hat mir an Tagen in denen ich Zweifel gehabt und mir mein Zuhause zurück gewünscht habe Kraft gegeben und mich nach Vorne Blicken schauen lassen. Mit der Zeit lernt man die Mädchen intensiver kennen. Und jedes Mädchen ist auf ihrer eignen Art besonders. Jede hat ihren eigenen Charakter. Manche waren von Anfang an gegenüber mir aufgeschlossen und wollten mich gar nicht mehr gehen lassen. Bei anderen Kindern, hat es eine Weile gebraucht, bis Sie sich geöffnet haben und sich mit anvertraut haben.

Mit der Zeit habe ich natürlich auch die einzelnen Schicksalsschläge und Beweggründe weshalb Sie nach „Casa Maín“ gekommen sind erfahren. Vieles wurde mir von den Mädchen anvertraut aber natürlich wurden mir auch viele Informationen durch die Ordensschwestern zugetragen und unter den freiwilligen Helfern, war es natürlich auch immer mal wieder Gesprächsthema. Zwar sank der Anteil der Armen in den letzten Jahren, jedoch hat sich für große Teile der Bevölkerung nichts gebessert. Großfamilien die in Armut leben haben nicht die finanziellen Möglichkeiten ihre eigenen Kinder genügend zu versorgen. Familienangehörige entscheiden sich oftmals in solchen Fällen ihre Kinder ins Heim abzugeben. Dort werden Sie ausreichend versorgt und können in besseren Lebensverhältnissen aufwachsen. Die Familien haben jedoch immer die Möglichkeit Ihre Kinder wieder zu sich zu nehmen und dürfen Sie regelmäßig im Heim besuchen um den Kontakt zu Ihnen nicht zu verlieren.

Einige Mädchen werden von der Straße geholt und werden ins Heim gebracht. Unter den Heimkindern in „Casa Maín“ sind der Großteil Waisen. Sexueller Missbrauch, Gewalt, Kinderprostitution und Drogenmissbrauch kennzeichnen oftmals die Vergangenheit der Mädchen. Die Geschichten der Mädchen sind äußerst traurig. Doch umso mehr beruhigt es mich, dass es den Mädchen im Heim gut geht. All das, was Sie von zuhause nie bekommen haben oder nicht bekommen können, wird Ihnen in „Casa Maín“ gegeben. Liebe, Fürsoge, ein Bett, genug zu Essen und zu Trinken, auf all das müssen die Mädchen nicht weiter verzichten, denn die Ordensschwestern kümmern sich mit Herzblut um Ihre Kinder.

Doch leider sind nicht alle Heime in Bolivien so wie das „Casa Maín“. Oft ist mir zu Ohren gekommen, dass in anderen Heimen die Kinder mit Gewalt konfrontiert werden und streng bestraft werden. Auch sind Schlaf- und Waschmöglichkeiten nicht oft Voraussetzungen in den Heimen. Daher kann ich aus eigener Erfahrung nur positives über „Casa Maín“ erzählen. Ein Heim, welches mit großem Engagement geführt wird und indem die Mädchen dankbar für jede Hilfe sind und es zu schätzen wissen dort leben zu dürfen.

Wenn auch Sie helfen möchten, wir haben ein eigenes Spendenkonto für Bolivien:

Sparkasse Schaumburg
IBAN: DE71 2555 1480 0313 9951 93
BIC: NOLADE21SHG
Stichwort: Lateinamerika